Aufruf zu einem wettbewerbsfähigen Digitalen Euro

Philipp J.A. Hartmannsgruber
4 min readDec 25, 2021

In 7 Jahren soll es einen Digitalen Euro geben (ca. im Jahr 2028?!) — so die EZB. Bereits in 2022 wird es den digitalen Yuan geben, sowie danach weitere digitale Währungen, bspw. den digitalen US-Dollar.

Man sollte meinen, dass bei einer Dauer von 7 Jahren der digitale Euro zumindest alles erfüllen wird, was man heute erwarten kann: Privatsphäre (Anonymität bis bspw. 1.000 Euro), Programmierbarkeit (Smart Contracts), sofortige kostenlose Transferierbarkeit überall in die Welt. Wenn man sich allerdings in Expertenkreisen umhört, wird es genau an diesen Dingen fehlen (außer vielleicht dem letzten Punkt).

Da stellt sich die Frage, wieso dauert es 7 Jahre, bis der Digitale Euro auf den Markt sein wird und wieso erfüllt er grundlegende Dinge von heutigen Kryptowerten nicht? Auf die erste Frage kam die Antwort, dass man sich Zeit lassen will um alles richtig zu machen und es scheinbar keinen Zeitdruck gäbe. Da scheinbar keine Programmierbarkeit gefordert wird (sehen viele anders, siehe bspw. Digital Euro Association und bankenverband), ist dies auch nicht geplant.

Es stellt sich die Frage, wieso wir einen Digitalen Euro in der geplanten Ausgestaltung benötigen, wenn wir jetzt schon „digitales Geld“, also Buchgeld haben.
Sollte SEPA Instant Payment flächendeckend verfügbar sein und das auch noch kostenlos, so brauchen wir den Digitalen Euro nicht — so wie er derzeit geplant ist.

Was Europa braucht ist einen Digitalen Euro, der spätestens in 2–3 Jahren marktreif ist. Dieser muss allerdings die volle Ausgestaltung einer digitalen Währung haben, wie wir sie von diversen anderen Kryptowerten bereits kennen.

Dies umfasst zuallererst einen gewissen Grad an Privatsphäre. Beispielsweise sollten Zahlungen bis zu 1.000 Euro komplett anonym sein — so wie bei Bargeld. Es gab bereits Studien (siehe Designing a Central Bank Digital Currency with Support for Cash-like Privacy), die zeigen, dass eine Privatsphäre möglich ist, bei gleichzeitiger Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Hierzu sollten Experten wie Jonas Gross, Johannes Sedlmeir, Matthias Babel, Alexander Bechtel und Benjamin Schellinger konsultiert werden, die der EZB beim Design des Digitalen Euros diesbezüglich zur Seite stehen könnten.

Der nächste wichtige Faktor ist die Programmierbarkeit. Blockchains wie Ethereum ermöglichen Smart Contracts. Und das bereits seit Jahren und sehr erfolgreich. Ohne einer Programmierbarkeit fehlt dem Digitalen Euro ein entscheidender Faktor — ohne diesen wäre er nicht zu gebrauchen. Als reines Zahlungsmittel haben wir bereits sehr viele Alternativen aus der Privatwirtschaft, die deutlich mehr genutzt werden, als alles was ein Staat (oder ein Staatenverbund) je kreieren könnte.

Natürlich muss der Digitale Euro zu allererst ein gesetzliches Zahlungsmittel sein. Ob dieser von der EZB oder Privatbanken ausgegeben wird, spielt meiner Meinung nach eine untergeordnete Rolle. Persönlich würde ich eine Ausgabe durch die Privatbanken bevorzugen, weil diese das logistisch und technisch besser lösen können, als die EZB. Hier fehlt das notwendige Personal.
Als Privatperson 1.000 Euro bei der EZB halten zu können und darüber hinaus den Rest auf dem Konto der Bank seines Vertrauens zu haben macht meiner Meinung nach wenig Sinn. Der Aufwand auf Seiten der EZB wäre viel zu hoch, jedem Europäer ein Konto bis zu 1.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Außerdem stellt sich die Frage, wo hier der Nutzen für den Verbraucher liegen soll.

Die Eigenschaften von Geld müssen selbstverständlich durch den Digitalen Euro auch erfüllt werden.
Diese sind (mit eigener Erweiterung der klassischen Geldfunktionen):

  1. Zahlungsmittel: Es muss ein gesetzlich anerkanntes Zahlungsmittel sein, das überall akzeptiert wird und keine Zahlungskosten verursacht.
  2. Wertaufbewahrungsmittel: Das Geld muss seinen Wert bestmöglich behalten. Wir wissen bereits seit langem, dass Fiatgeld ohne eine Mengenbeschränkung (es kann so viel gedruckt werden, wie gewollt ist) inflationär ist und im durchschnitt bis zu 2% pro Jahr an Wert verliert (bspw. in den letzten Jahren in Deutschland — aktuell deutlich mehr).
    Der Digitale Euro wird dieses Problem nicht lösen, da es von der Grundausgestaltung genauso sein wird, wie der Euro heute.
  3. Rechnungseinheit: Geld muss als Rechnungseinheit gesehen werden. Jeder muss wissen können, wie viel man sich mit einem Euro kaufen kann. Außerdem muss dieser teilbar sein (Cents).
    Der Digitale Euro hat die Möglichkeit, noch stärker teilbar zu sein, als der bisherige Euro. Das bedeutet, es kann auch weniger als 0,01€ existieren. Dies ist im Zeitalter von Internet of Things (IoT) auch dringend notwendig. Für Micro-Payments benötigen wir eine kleinere Unterteilung als 1 Cent.

Sollten die hier aufgelisteten Kriterien unter Einhaltung der (erweiterten) Geldfunktionen bei der Konzeption des Digitalen Euro berücksichtigt werden und dieser in 2–3 Jahren marktreif sein, so bin ich optimistisch. Sollte der aktuelle Weg weiter eingeschlagen werden, so benötigen wir aus meiner Sicht keinen “Digitalen Euro” (so wie sich die EZB diesen aktuell vorstellt).

Bemerkungen

Bitte beachten: Dies ist ein Artikel, der im Dezember 2021 geschrieben wurde und die private Meinung widerspiegelt.

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Philipp J.A. Hartmannsgruber hat einen Master-Abschluss in Finance & Accounting und einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften.
Er ist Referent für Digitales Geld & Digitale Assets beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (
DSGV) und Vorstand des Blockchain Bundesverbands (Bundesblock).

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Philipp J.A. Hartmannsgruber

Board Member @Bundesblock (Blockchain Bundesverband) | Founder & Managing Partner @PJAH Consulting